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Virtuose Abstraktion
Portraits und Landschaften von Antoinette in der Villa Kellermann

ARNO NEUMANN

Die Malerin ANTOINETTE macht es uns nicht leicht. Ohne Intellekt und Phantasie führt kein Weg zu ihren Bildern. Sie macht es aber auch sich selbst nicht leicht mit ihrem Bildermalen. Sie liebt das große Format, zwei Meter sind es oft in der Höhe und sechs Meter können es in der Breite werden. Sie braucht die Fläche, um ihr vor Figuren berstendes Welttheater unterzubringen.

Der Betrachter wird überwältigt. Er sucht Erklärung im Gegenständlichen. Doch stets bleiben Fragen an Verstand, Gefühl und Phantasie. Johannes Heisig sagte einmal über die Bilder seiner Frau ANTOINETTE wie auch über seine eigenen, dass sie aus einer malerischen Phantasie gewachsen sind, die einer "gleichberechtigten Begegnung unserer Innenwelten mit der Einmaligkeit der erlebten optischen Sensation" entspringt.

ANTOINETTEs Bilder leben aus den Figuren heraus. "Alles, was Seeleninhalt ist, drückt sich für mich im menschlichen Körper aus", sagt sie. Daher ist es verständlich, dass sie gerade mit ihren "Berliner Portraits" ihr unverwechselbares künstlerisches Profil zeigt. Weit über hundert Portraits von Leuten aller Schichten entstanden seit der Jahrtausendwende. Einige davon sind neben Simultanbildern allegorischen Inhalts zu sehen in der Ausstellung der Galerie Kunst-Kontor Friederike Sehmsdorf in der Villa Kellermann.
Es scheint Super-Realismus zu sein, ist doch jede Haarsträhne, jede Kleiderfalte, jeder Schnürsenkel prägnant erfasst. Genau betrachtet erweist sich diese scheinbar extreme Naturtreue als virtuose Abstraktion hin zu hypertrophierter Gegenständlichkeit einer Kunstwelt. Die Portraitierten werden auseinander genommen und als Kunst-Stück wieder zusammengefügt. Portrait wird der ganze Mensch, seine Haltung, seine Drapierung in der Kleidung, der Faltenwurf von Kleid und Hose, Charakter und Interessen erhellende Beigaben - Kopf und Gesicht sind nur ein Erkennungssignal unter vielen.

Geradezu schockartig wird einem bewusst, welch künstlerische Disziplin und handwerkliche Leistung diese Arbeiten verkörpern. Es sind Pastellzeichnungen, jedes Detail ist konsequent durchgestanden, könnte, herausgetrennt, ein Bild für sich sein. Und welche Farbereignisse spielen sich in jedem Detail ab! Sinngebung durch Farbe steht vor dem Malerischen. Es gibt in ANTOINETTE Arbeiten nichts Nebensächliches. In ihren Simultanbildern ist die kleinste Figur in der äußersten Ecke wichtig. Das Leben ist so prall, es muss erzählt werden. Die Mythologie muss her, um all die Dimensionen in der Verquickung von Individuum und Menschheit zumindest an einem Zipfel zu packen. Das bleibt ein ständiges Ringen, das bedarf immer neuer Bilder. Und es ist immer Dramatik - in der Wirklichkeit wie im Bild als prismenartiger Spiegel der Welt.

Fast ist man überrascht, von ANTOINETTE auch
Landschaften zu sehen, kleinformatige, farbig ausgewogene Arbeiten, deren zerzauste Baumwipfel wiederum Dramatik ahnen lassen, auch dort, wo nur Stille zu sein scheint.